2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

LBO, MBO u. andere Bauvorschriften, Feuerschutzabschlüsse, Flucht- und Rettungswege etc.
tomuc

2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon tomuc » Mo 20.09.2010 16:49

Hallo Zusammen,

ich bin etwas verwirrt was die Notwendigkeit eines 2.ten Fluchtweges nach ArbStättV angeht.

Der Vermieter ist der Meinung, dass die Evakuierung durch die Feuerwehr als 2.ter Fluchtweg ausreichend ist.

Die ASR A2.3 besagt jedoch, dass ein Fluchtweg selbstständig begangen werden können muss und der zweite Fluchtweg durch einen zweiten Notausgang führen muss.
Allerdings bin ich mir nicht sicher ob die ArbstättV auch wirklich immer einen zweiten Fluchtweg fordert.

Weshalb mir ein zweiter Fluchtweg jedenfalls ganz recht wäre:
- den ersten und einzigen Fluchtweg bildet eine Treppe mit Holzauflage und -geländer
- die Treppe und die Türen halten die geforderten Breitenmaße der ASR A2.3 für Fluchtwege nicht ein (Treppe -6cm, Tür -15cm) und die Treppe hat auch keinen 100% geraden Lauf, welche Sie als 1.te Treppe haben müsste.
- falls die Treppe nicht benutzbar wäre, wären ca. 80 Personen in ca. 12 Räumen mit insgesamt 730m² Fläche abgeschnitten und müssten aus bis zu ca.18 Dachflächenfenstern aus dem 2.Stock, bzw. auf der zweiten Seite aus dem 3.Stock über Grund, gerettet werden. Dies stelle ich mir etwas (zeit-)aufwendig und nicht allzu sicher vor.

Zumindest erscheint mir damit nicht mehr der §4 Absatz 4 Satz 2 der ArbStättV erfüllt zu sein:
Der Arbeitgeber hat Vorkehrungen zu treffen, dass die Beschäftigten bei Gefahr sich unverzüglich in Sicherheit bringen und schnell gerettet werden können.

Was meint ihr?
ist ein 2.ter fester Fluchtweg zwingend notwendig ...oder kann man den im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung wegdiskutieren und die Evakuierung durch die Feuerwehr ist wirklich ausreichend?
..achso ..das Gebäude wurde ca. 1935 erbaut ..gibt es eventl. einen Bestandsschutz? (was ich ja eher weniger vermute)

Danke!

SaJa

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon SaJa » Di 21.09.2010 14:38

Hallo,

ich hatte beim Umbau eines Museums das gleiche Problem mit dem zweiten Rettungsweg. Da aber in meinem Fall die Personenzahl viel geringer war, haben wir uns auf ein Notausstiegsfenster als zweiten Rettungsweg einigen können.
Möglich ist es also schon.

Gruß,

Sascha

tomuc

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon tomuc » Di 21.09.2010 14:54

Hallo Sascha,

danke für deine Antwort - deine Räume befanden sich dann aber wahrscheinlich im Erdgeschoß?

Mit einem Notaustieg könnte ich super leben - nur stehen dann die 80 Leute im 2 bzw. 3 Stock auf dem Schrägdach, bzw. fallen davon runter, wenn der Fluchtweg nicht weiter geht.

Ich habe einfach meine Zweifel, dass ein erster Fluchtweg (der noch nicht mal die Forderungen der ASR A2.3 erfüllt) ausreichend sein soll und man ansonsten auf das Erscheinen der Feuerwehr warten soll.

Dies konnte oder wollte mir aber bisher noch keiner klar bestätigen (weder Bundesministerium, noch bay. Stattsministerium f. Arbeit und Soziales - Antwort von der Branddirektion steht auch noch aus).
Bisher wurde nur an das Gewerbeaufsichtsamt verwiesen, die dann eine Begehung und Beurteilung vor Ort vornehmen könnten.

Ich dachte die Sache wäre klarer und ich könnte den Vermieter/Arbeitgeber gleich mit einer eindeutigen Aussage konfrontieren, dass nichts an einem zweiten festinstallierten Fluchtweg vorbeiführt.

Das Gewerbeaufsichtsamt will ich ihn nicht gleich auf den Hals hetzen, wenn er selbst nicht dazu bereit ist. (ich selbst bin ja "nur" betroffener Angestellter)

SaJa

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon SaJa » Mi 22.09.2010 11:50

Moin,

bei mir befindet sich das Fluchtfenster im zweiten Stock unter dem Dach. Aber das ist halt stark vom Gutachter abhängig ob und wie ein zweiter Fluchtweg nötig ist.

Bei 80 Leuten bin ich perönlich aber ziemlich sicher, daß ein zweiter Fluchtweg vorhanden sein muß. Der erste Rettungsweg muß natürlich auch die Anforderungen der ASR erfüllen, ohne Frage.

Gruß,

Sascha

Linse

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon Linse » Do 30.09.2010 11:24

Unabhängig davon, was die ArbStättV fordert (mit dieser kenne ich mich nicht wirklich aus), würde der zweite Rettungsweg in Deinem Fall ja über Rettungsgerät der Feuerwehr führen.
Wobei ich bei 3 Stockwerken schon vorsichtig wäre, welche Rettungshöhe das Rettungsgerät der Feuerwehr auch tatsächlich leisten kann. Das wäre auf alle Fälle schonmal eine Frage bei der Feuerwehr wert.
Sollten es tatsächlich um die 50 oder mehr Leute sein, die da durch die Feuerwehr gerettet werden müssten, wird Euch diese auf alle Fälle ein Abfuhr erteilen. Ich habe mal mit einer "feuerwehr-belasteten" Studienkollegin gesprochen, und pro Person muss man wohl 2 Minuten mindestens rechnen für eine Rettung über Drehleiter oder normale Leiter. Wären also schon 100 Minuten (ok, 2 Leitern, 50 Minuten, Sportler dabei, 40 Minuten) zur Rettung der Leute. Allerdings bezweifle ich, dass die Türen bzw. Wände zu den Räumen in den Obergeschossen alle eine Mindestbrandwiderstandsdauer von 60 Minuten aufweisen.
Wäre natürlich eine Möglichkeit, dem Entscheider als Alternative ca. 15 T60-Türen vorzuschlagen anstatt einer Außentreppe. Ich kann mir schon denken, welche Lösung dann bevorzugt wird.

Außerdem meine ich mich zu erinnern, dass die Bauordnungen da auch Angaben machen, welche Gebäudeklassen welche Mindestanforderungen an die Rettungswege stellen bzgl. Anzahl und Co.

Notausstiege müssen meines Wissens auch auf Flächen führen, die einen sicheren Stand ermöglichen. Dass die Leute also auf dem Schrägdach warten, wäre zumindest für mich als Brandschutz-Fachmensch mit zusätzlichen Ferienjobs in einer Zimmerei einfach nicht gangbar. Abgesehen davon, dass nicht sichergestellt ist, dass das Dach nicht durchbrennt.

Zur Frage nach dem Bestandsschutz stellt sich die Gegenfrage: Gab es kürzlich eine Nutzungsänderung, beispielsweise von einer Schule zur Büronutzung? Dann ist der Bestandsschutz sowieso hinfällig.
Interessant wäre die Sache eventuell, wenn es schon immer Büronutzung war und diese auch weiterhin der Fall sein soll. Aber im gegebenen Fall wäre womöglich sogar die unmittelbare Gefahr für Leib und Leben gegeben, die jeden Bestandsschutz aushebelt.

Bzgl. Gewerbeaufsicht: Ich glaube auch, dass es deutlich besser wäre, erst mal eine Begehung mit der lokalen Feuerwehr zu machen. So wie ich das abschätze, werden die dann einen zweiten Fluchtweg zur Auflage machen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Bei der GA könnte es je nach Gutachter sogar passieren, dass die sofort den Betrieb stoppen wegen unmittelbarer Gefahr.
Denn den Berichten nach, die ich bisher so mitbekommen habe, läufts ungefähr so:
Feuerwehren denken halbwegs pragmatisch, und ein paar Zentimeter sind nicht so tragisch.
Die Gewerbeaufsicht hält die Vorschriften penibel ein, und mehr als ein halber Zentimeter Unterschreitung des Solls führt zu Problemen.

Sugus

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon Sugus » Sa 02.10.2010 2:11

Nebenfrage: Welche Brüstungshöhe haben die Fenster zum Ausstieg auf das Dach? Handelt es sich um Dachfenster oder um senkrecht verbaute Fenster, vor denen sich ein Anbau mit Schrägdach befindet?

Der zweite bauliche Rettungsweg ist bei dieser Personenanzahl sicherzustellen, da eine Fremdrettung über Leitern der Feuerwehr wie schon beschrieben zeitlich im Rahmen der Schutzzieldefinition nicht darstellbar ist.

Nebeneffekt einer Außentreppe ist übrigens mögliche Schadenminimierung, da diese (im Gegensatz zu einer tragbaren Leiter) einen sicheren Angriffsweg für die Feuerwehr darstellt. So kann eine Rauchausbreitung in andere Stockwerke bei funktionierender innerer Rauchabschnittstrennung vermieden werden (wenn keine Menschenrettung mehr nötig ist).

tomuc

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon tomuc » Mo 04.10.2010 13:44

Hallo Linse und Sugus,

danke für eure Antworten und Rückfragen.
Es gab keine Nutzungsänderung - aber wohl eben bislang auch keine Brandbeschau (quasi: war schon immer so ..seit 1935 :roll: "was früher gut war, kann heut nicht schlecht sein")
Bis auf ein einzelnes Dachgaubenfenster (Brüstungshöhe 110cm) existieren nur Dachflächenfenster mit Brüstungshöhen ca. 140-150cm. Unterhalb jeden Fensters läuft das ca. 40°-Schrägdach in der Horizontalen noch ca. 140cm bzw. mit Dachüberstand ca. 190cm weiter.
Als Notausstieg bietet sich natürlich das Dachgaubenfenster an.
Allerdings hätte ich auch gerne min. einen Notausstieg aus einem der Dachflächenfenster.
Ist da ein Fussbodenpodest im Bereich unterhalb des Fensters zulässig um auf eine max. Brüstungshöhe von 120cm zu kommen?
Unterhalb der Fenster könnte ich mir einen Laufsteg vorstellen, welcher mit Stützen durch das Dach geführt wird und einfach auf den Fussboden befestigt wird (die 140cm in der Horizontalen). Dann an 1-2 Stellen noch eine Steigleiter und das Thema wäre vom Tisch.
...Wenn denn alle mitspielen.

Sugus

Re: 2.ter Fluchtweg nach ArbStättV notwendig ja - nein?

Beitragvon Sugus » Do 07.10.2010 1:15

tomuc hat geschrieben:Ist da ein Fussbodenpodest im Bereich unterhalb des Fensters zulässig um auf eine max. Brüstungshöhe von 120cm zu kommen?


Eine Treppe mit Stufen bis zur Unterkante Fenster sollte es bei einem Dachfenster schon sein. Ein Übersteigen ist ja nicht wie bei einem senkrecht ausgerichteten Fenster möglich.

Unterhalb der Fenster könnte ich mir einen Laufsteg vorstellen, welcher mit Stützen durch das Dach geführt wird und einfach auf den Fussboden befestigt wird


Klingt soweit gut, ggf. Geländer (Absturzsicherung) erforderlich?
Ist das Dach F0? Dann Ertüchtigung erforderlich, um den Flucht- (und Angriffs-)weg über einen definierten Zeitraum sicher begehen zu können.

Dann an 1-2 Stellen noch eine Steigleiter und das Thema wäre vom Tisch.


Sicherheitsschuhwerk für die Nutzer vorgeschrieben? Falls nein, würde ich einer Steigleiterlösung auf jeden Fall widersprechen, solange irgendwie Platz für eine Außentreppe ist (Stöckelschuhe vs. Steigleiter bei Büronutzung...). Siehe auch BGV D36.