Bestandschutz

LBO, MBO u. andere Bauvorschriften, Feuerschutzabschlüsse, Flucht- und Rettungswege etc.
Giantgeorge

Bestandschutz

Beitragvon Giantgeorge » Di 16.06.2020 22:56

Hallo,
ich bin mir nicht ganz sicher, was es Im Zusammenhang mit dem Thema Brandschutz bedeutet, wenn ein Haus einen Bestandschutz hat. Ist damit gemeint, dass herrschende Regelungen zum Brandschutz bei solchen Häusern nicht greifen müssen?

Zusätzlich hätte ich noch folgende Fragen.

Ein Haus hat im Erdgeschoss einen Gastro-Betrieb, der vom Pächter betrieben wird. Im ersten Stock über dem Gastro-Betrieb gibt es zwei Wohnungen. Die eine Wohnung wird vom Pächter des Gastro-Betriebes als Büro gewerblich gemietet, in der anderen Wohnung wohnt der Eigentümer des kompletten Hauses, also der Verpächter.

1) Inwieweit spielt auf Grund der Nutzung nun der Brandschutz eine Rolle?

2) Wie wäre es, wenn der Pächter das komplette Haus pachtet?

3) Wie wäre es, wenn in der zweiten Wohnung nicht der Eigentümer wohnen würde, sondern eine andere Person oder Familie?

4) Was wäre, wenn die zweite Wohnung eine Ferienwohnung wäre?

Über Antworten würde ich mich freuen.
Vielen Dank

clammer
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Re: Bestandschutz

Beitragvon clammer » Mi 17.06.2020 9:37

"Bestandsschutz" bedeutet, dass die zuständige Behörde für eine bauliche Anlage, solange sie entsprechend der Baugenehmigung erhalten und betrieben wird, keine Anpassungen an das aktuelle Baurecht stellen kann - es sei denn, es besteht eine konkrete Gefahr für Leib und leben.
Andere Rechtsgebiete werden vom "Bestandsschutz" nicht erfasst.

Die Fragen 1 bis 4 sind zu allgemein, weil es den "Brandschutz" so nicht.

Zum Teil handelt es sich planungsrechtliche Fragestellungen, zum Beispiel die Frage hinsichtlich einer gewerblichen Nutzung in einer Wohnung.

Grundsätzlich müssen unterschiedliche Nutzungseinheiten mit brandschutztechnisch bemessenen Trennwände von einander getrennt werden. Eine Nutzungseinheit ist zum Beispiel eine Wohnung oder ein Laden.
Also stellen die beiden Wohnungen jeweils Nutzungseinheiten dar und müssen eine Trennwand und zum Erdgeschoss muss die Decke geschosstrennend sein. Wer in welcher Wohnung wohnt, spielt dabei keine Rolle. Auch eine Ferienwohnung ist eine Wohnung.

Wieviele Nutzungseinheiten der Pächter pachtet spielt solange keine Rolle, wie diese Nutzungseinheiten erhalten bleiben.

Gruß
C. Lammer

Giantgeorge

Re: Bestandschutz

Beitragvon Giantgeorge » Do 18.06.2020 13:59

Ich frage jetzt extra mal etwas provokativ:
wieso sollte ich mir Gedanken über die aktuellen Brandschutzvorgaben machen, wenn das Gebäude Bestandschutz hat? Ich habe es so verstanden, dass keine Behörde irgendwelche Anpassungen verlangen kann, wenn das Gebäude Bestandschutz hat. Und hat denn nicht jedes Gebäude, das mit einer Baugenehmigung errichtet wurde, nicht auch gleichzeitig Bestandschutz?

Es ist ja klar, dass ich Rauchmelder und Feuerlöscher bereitstelle, aber wieso sollte die Behörde z. B. einen zweiten Fluchtweg fordern oder ein größeres Fenster, damit es als zweiter Fluchtweg dient? Wofür wäre denn dann der Bestandschutz noch sinnvoll?

Wie wäre es denn in solch einer Situation zu rechtfertigen, dass eine Behörde nun Brandschutzmaßnahmen einfordert?

THE
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Re: Bestandschutz

Beitragvon THE » Do 18.06.2020 15:03

Giantgeorge hat geschrieben:Und hat denn nicht jedes Gebäude, das mit einer Baugenehmigung errichtet wurde, nicht auch gleichzeitig Bestandschutz?


Nein .- denn wenn aus einem (lt. Baugenehmigung) Wohnhaus ohne viel Aufwand ein Bürogebäude wird, dann ist das eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. Und mit dem dann fälligen Bauantrag (sofern man nicht schwarz umbaut) verfällt auch der Bestandsschutz.
Bestandsschutz gilt nur im Rahmen der nicht geänderten Nutzung.

Und bei einem Wohngebäude gilt z.B. nicht das Arbeitsschutzgesetz oder die Betriebssicherheitsverordnung wie bei einem Bürogebäude (=Arbeitsstätte).
So sind in Wohnräumen ja Rauchwarnmelder vorgeschrieben (Umfang je nach Bundesland abweichen), bei Arbeitsstätten nicht (grundsätzlich).

clammer
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Re: Bestandschutz

Beitragvon clammer » Do 18.06.2020 15:06

Ohne Anlass fordert eine Behörde überhaupt nichts.
Für jede Forderung gibt es einen Verwaltungsakt. Und in dem steht drin, wieso weshalb warum was gefordert wird.

Wie ich bereits im letzten Beitrag ausgeführt habe, ist eine Voraussetzung für den Bestandschutz, dass das Gebäude nach wie vor gemäß der Baugenehmigung erhalten und betrieben wird.
wieso sollte ich mir Gedanken über die aktuellen Brandschutzvorgaben machen

Weil es auch noch andere Rechtsvorschriften außer dem Baurecht gibt.

Gruß
C: Lammer

BSB_Schlake
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Re: Bestandschutz

Beitragvon BSB_Schlake » Fr 17.07.2020 8:28

Hallo,

Hier ist dazu ein sehr ausführlicher Fachartikel: https://www.noerr.com/de/newsroom/news/bestandsschutz-und-brandschutz



M.E. sind diese Passagen dabei zu beachten:

Eine Ermessensreduzierung auf null auf Seiten der Behörde und damit eine Handlungspflicht des Eigentümers liegt jedoch in der Regel vor, wenn die Mängel so erheblich sind, dass eine konkrete und erhebliche Gefahr für Leib und Leben droht. Dies festzustellen ist wiederum eine Frage des Einzelfalls. Insbesondere in Hinblick auf Brandschutzvorrichtungen nimmt die Rechtsprechung jedoch häufig eine solche konkrete Gefährdungslage an


… Eine Baugenehmigung und ein Nichteinschreiten der Behörde allein schützt den Eigentümer nicht vor strafrechtlichen und zivilrechtlichen Konsequenzen, wenn er positive Kenntnis von einem Mangel in brandschutzrechtlicher Hinsicht hatte oder haben musste. Daneben müssen auch Gesichtspunkte des Versicherungsschutzes des Gebäudes bzw. etwaiger Regressmöglichkeiten des Versicherer im Falle der Regulierung des Schadens bedacht werden.


III. Fazit

Der Eigentümer kann sich nicht unbegrenzt auf eine vorhandene Baugenehmigung oder das Ausbleiben behördlicher Bescheide verlassen. Gerade in Hinblick auf Brandschutzvorrichtungen ist der Bestandsschutz schon von Gesetzes wegen durchbrechbar. Und auch ohne ein behördliches Einschreiten ist der Eigentümer gut beraten, vor etwaigen Brandschutzmängeln nicht die Augen zu verschließen, sondern im Einzelfall auch von sich aus Nachbesserungen vorzunehmen, um mögliche Haftungsrisiken zu entgehen.


Gruß Achim