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Brandschutzkonzept / RWA

Verfasst: Do 26.10.2006 13:54
von Siggi
Hallo zusammen,

in einem Brandschutzkonzept für ein Objekt, fand ich folgenden Absatz, den ich hier gerne hier zur Diskusion stellen möchte:

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Nach der in den Gremien der ARGEBAU verfestigten Auffassung, die auch
von den Vertretern der Feuerwehr mit getragen wird, liegt die Priorität der
Rauchabführung in der Ermöglichung eines gezielten Einsatzes der Feuerwehr
zur Brandherderkennung und Brandbekämpfung, nicht im Bereich der
Selbstrettung von Personen, da diese durch die geplanten autom. Brandmelde-
und Alarmierungsanlagen frühzeitig gewarnt werden und die Nutzungsbereiche
unverzüglich verlassen können.

../..

Durch die Feuerwehr wurde im vorliegenden Fall ebenfalls abgestimmt, dass
die Rauchabführung erst bei Eintreffen der Feuerwehr ausgelöst wird und der
Brandbekämpfung und Branderkundung dient, und nicht dem Schutz der anwesenden
Personen.


Ich war bisher immer der Auffassung, gestützt durch Literatur und Lehrgänge, dass der Schutz der Personen 1. Priorität hat. Die meisten Opfer bei Bränden sind halt durch Verrauchung der Räumlichkeiten zu beklagen. Liege ich denn da mit meiner Auffassung/Meinung so falsch?


Viele Grüße
Siggi

Verfasst: Mo 30.10.2006 20:29
von ppm
Hallo,

prinzipiell gilt weiterhin die erste Priorität der Rettung von Menschenleben.

Der hier vorgetragene Ansatz geht davon aus, dass HIER die RWA nicht primär zur Rettung von Menschenleben eingesetzt werden MUSS, da das MUTMAßLICH anderweitige bereits erledigt wäre.

Ein solches Konzept muss ganz klar in einem bestimmten Kontext stehen und darf so nicht allgemein auf alle Entrauchungen übertragen werden.

Denkbar wäre bspw. so ein Konzept in einer reinen Industriehalle, sehr groß, sehr hoch, sehr übersichtlich, viele, klar beschilderte Rettungswege, Wenige (nur ortskundige) Personen, BMA, ELA.

Hier könnte man vielleicht auf eine automatische Auslösung verzichten.

Jedoch sollte eine solche Aussage durch eine Brandsimulation unterstützt werden. Ggf. kommt der Rauch schneller als gedacht unter 2m und ggf. kommt es schneller als gedacht zu einem Flash-Over?

Letzendlich sollte man auch den Sachwertschutz nicht außer Acht lassen. Ggf. lässt sich die automatisierte Aktivierung der RWA noch irgendetwas im Umkreis retten.

Zuletzt stellt sich die Frage, warum man - wenn man schon eine BMA und eine ELA hat - nicht automatisch die RWA aktivieren kann/will.

Verfasst: Di 31.10.2006 10:39
von Siggi
Hallo ppm,

vielen Dank für das Posting.

Ergänzend möchte ich noch anmerken, dass es sich um einen Raum von ca. 800m² handelt und dort Veranstaltungen von bis zu 700 Personen stattfinden sollen/können. Es greift dann die Versammlungsstättenverordnung.

In der Hoffnung auf weitere Antworten.....


Viele Grüße
Siggi

Verfasst: Di 31.10.2006 11:25
von ppm
Hallo,

ohne hier weitere Details zu kennen, scheint sich die Aussage des Konzepterstellers - UNTER UNEINGESCHRÄNKTER ZUGRUNDELEGUNG DER AKTUELLEN Musterversammlungsstättenrichtlinie - speziell für Versammlungsstätten zu bewahrheiten.

Im Rahmen der aktuellen Muster-Versammlungsstättenrichtlinie wird der Dimensionierung und Gestaltung der Rettungwege höhere Priorität eingeräumt.

Hierzu sagt die aktuelle Muster-Versammlungsstättenrichtlinie der ARGE-Bau (Juni 2005 !!!) sowie deren Begründung folgendes (freie gekürzte Zitate):

http://www.is-argebau.de/Dokumente/4231214.pdf
http://www.is-argebau.de/lbo/VTMU024B.pdf

§16 Abs. (1): "~Versammlungsstätten >200 m² MÜSSEN entraucht werden~"
§16 Abs. (4): "~Notwendige Treppenräume MÜSSEN Rauchableitöffnungen haben~"
§16 Abs. (8): "~die Vorrichtungen zur Auslösung der Rauchableiteinrichtungen müssen von einer jederzeit zugänglichen Stelle bedienbar sein"
§38 Abs. (2): "~während des Betriebs muss ein verantwortlicher betriebsleiter ständig anwesend sein~"

Aus der Begründung:

Die Muster-Vorschriften bedürfen der Umsetzung in Landesrecht. Die konkret anzuwendenden Vorschriften ergeben sich aus der jeweiligen Landes-Bauordnung, der Versammlungsstättenverordnung des Landes und gegebenenfalls anderer Sonderbauverordnungen oder Richtlinien des Landes.

Die MVStättV verzichtet weitgehend auf die bisher mit geregelten Betriebsvorschriften und arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, die ohnehin in den Unfallverhütungs vorschriften der Berufsgenossenschaften
geregelt sind. Aufgenommen sind dagegen die Betriebsvorschriften, die dem Schutz der Besucher bzw. Benutzer der Versammlungsstätten dienen und die Anforderungen des § 3 Abs. 1 MBO 2002 konkretisieren.

Da der Schwerpunkt der Regelungen der MVStättV auf einer raschen Evakuierung der Versammlungsstätten liegt, konnten die Anforderungen an Bauteile abgemindert werden. Die Regelungen über die technischen Einrichtungen, insbesondere die Rauchabführung, die Feuerlöschanlagen
und die Brandmeldeanlagen, wurden gründlich überarbeitet.

Zu § 16 Rauchableitung
(§§ 27, 38 und 48 VStättVO 1978 und § 15 Muster-GastBauVO 1982)

Die Vorschrift über die Rauchableitung wurde gegenüber den bisherigen Regelungen gestrafft, schutzzielorientiert formuliert und an der Gesamtkonzeption des Brandschutzes ausgerichtet. Die Rauchableitung ist erforderlich, um den Einsatz der Feuerwehr zu ermöglichen. Dies hat unmittelbare Auswirkung auf die Bemessung, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens und die Dauer der Funktionsfähigkeit der Rauchabzugsanlagen.

Der Personenschutz wird im Brandfall - wie auch bei der Verkaufsstättenverordnung – insbesondere durch eine schnelle Räumung der Versammlungsstätte durch Selbstrettung der Personen innerhalb weniger Minuten verwirklicht. Demzufolge liegt der Schwerpunkt auf dem Schutz, der Anordnung, der Bemessung und der Führung der Rettungswege, dem Sicherheitskonzept und dem Ordnungsdienst
(siehe § 43).

Absatz 1 Satz 1 schreibt für alle Versammlungsräume und sonstigen Aufenthaltsräume mit mehr als 200 m² Grundfläche sowie für alle Versammlungsräume in Kellergeschossen vor, dass diese Räume
entraucht werden können. Die Entrauchung kann prinzipiell durch das Öffnen von Fenstern, von Rauchableitungsöffnungen oder durch Einschalten von Rauchabzugsanlagen erfolgen. Für kleinere Räume bis 200 m² genügt das Anforderungsniveau des § 47 Abs. 2 Satz 1 MBO 2002.

Für Versammlungsräume und sonstige Aufenthaltsräume mit mehr als 1000 m² schreibt Absatz 3 Rauchabzugsanlagen vor, deren Bemessung nach den technischen Regeln oder mit ingenieurtechnischen Methoden nachzuweisen ist. Wegen der grundsätzlich gleichen Problemstellung der Rauchableitung aus großen Hallen, können die Grundgedanken des Normentwurfs DIN 18232 - 1 bis 5 auch bei der Bemessung der Rauchableitung aus Versammlungsstätten herangezogen werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass in Versammlungsräumen regelmäßig deutlich geringere Brandlasten bestehen als z.B. in Industriebauten. Im Einzelfall kann daher eine gutachterliche Bewertung nach issenschaftlichen und ingenieurtechnischen Erkenntnissen zweckmäßig sein.

(Anmerkung des Autors: Nach DIN 18232 kann dann ggf. eine automatische Aktivierung erforderlich werden, um die raucharme Schicht zu gewährleisten)

Nach Absatz 3 ist zur Erreichung der Schutzziele auf allen zu entrauchenden Geschoss- oder Emporenebenen eine raucharme Schicht von mindestens 2,5 m erforderlich. Die raucharme Schicht ist erforderlich,
um einen sicheren und wirkungsvollen Einsatz der Feuerwehr zu ermöglichen; nur so ist im Brandfall eine rasche Suche nach in den Räumen verbliebenen Personen und Brandherden gewährleistet.

Die Bestimmungen der Absätze 8 und 9 entsprechen den bisherigen Regelungen. Die Anforderung des Absatz 8 Satz 1 erfordert lediglich, dass die einzelnen Fenster vom jeweiligen Fußboden aus geöffnet werden können. Fenster und Türen, die nach Absatz 5 angerechnet werden können, fallen nicht unter den Begriff „Rauchabzugsanlage“. Eine zentrale Bedienungsvorrichtung für Fenster und Türen ist nicht erforderlich.

Die zitierten Texte sollten für sich sprechen ...

Viele Grüße ppm

PS: Und hier zeigt sich mal wieder, dass jedes Objekt individuell bewertet werden muss.