Fehlender 2. Rettungsweg in Hochhäusern

LBO, MBO u. andere Bauvorschriften, Feuerschutzabschlüsse, Flucht- und Rettungswege etc.
Wolfgang Cordier

Fehlender 2. Rettungsweg in Hochhäusern

Beitragvon Wolfgang Cordier » Di 16.03.2004 21:27

Hallo,

nach Rücksprache mit einem Eigentümer darf ich das Problem mal hier darstellen und seine Bitte weiterreichen sich zu melden oder hier Vorschläge zu unterbreiten wenn jemand Lösungsansätze beisteuern kann.

Vor vielen Jahren wurden 2 Hochhäuser (mir bis jetzt bekannt) in NRW gebaut. Eines verfügt über ca. 16, das andere über 13 Stockwerke. Da die Rettung mit Leitern der Feuerwehr nur bis einschließlich 8. OG möglich ist musste für die Rettung ab dem 9.OG ein anderer Weg eingeschlagen werden.
Man entschloss sich dazu, den 2. Rettungsweg über den gleichen Treppenraum über Dach in ein benachtbartes Hochhaus zu führen.
Dies ist ja nun aber mal nicht so ohne weiteres möglich.
Sollte es im 10. OG brennen können die Personen unter Umständen nicht mehr nach unten, und oben sammelt sich der Rauch so das die Personen dort hineinlaufen müssten.
Es gibt zwar eine Rauchabzugsöffnung von ca. 0,7 qm in der Seitenwand im obersten Geschoss, aber es kann keiner sicher sagen ob dies ausreicht.
In jedem Geschoß befinden sich 3 Wohnungen die direkt am Treppenraum liegen. Eine Abtrennung des TR ist aus Platzgründen nicht möglich.
Zusammengefasst:
    Es gibt keinen zweiten Rettungsweg
    Der geplante zweite Rettungsweg geht vertikal innerhalb des ersten
    Im Bereich zwischen 8. und 9. OG ist eine F 90 Wand mit einer T 30 Türe eingebaut.
    Vor dieser im 8.OG und im obersten OG gibt es eine RWA in der Seiten wand (ca. 0,5- 0,7 qm)
    Die Wohnungen liegen unmittelbar am TR


Kennt jemand einen vergleichbaren Fall?
Gibt es dort bereits eine Lösung?
hat jemand vieleicht ein paar Lösungsvorschläge die man hier mal diskutieren könnte?

Gruß

Holger Nolte

Beitragvon Holger Nolte » Di 16.03.2004 23:57

Hallo Herr Cordier,

ein Hochhaus mit nur einem Treppenraum (TR) ist möglich wenn dieser als Sicherheits-TR ausgebildet wird. Es darf also kein Feuer und Rauch in den TR eindringen können. Dazu nutzt man normalerweise die Lage außen am Gebäude, Zugang über offene Gänge oder die Ausbildung von Schleusen, was in Ihrem Fall wohl nicht gegeben ist.
In dem beschriebenen Fall würde ich die Ausrüstung mit einer Überdrucklüftungsanlage in Kombination mit Freilauftürschließern empfehlen (siehe z.B: www.suela.de).
Aus Ihrer Beschreibung kann man nicht entnehmen, ob dazu evtl. bereits eine Lüftungsanlage vorhanden ist.
Die Anforderungen an eine solche Überdrucklüftungsanlage sind sehr gut beschrieben in der Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung NRW. (siehe z.B.: http://www.aknw.de/mitglieder/gesetze-v ... O_2000.pdf)

MfG
Holger Nolte

Holger Nolte

Beitragvon Holger Nolte » Mi 17.03.2004 0:05

Hier der Link nochmal ohne die Klammer am Satzende:

http://www.aknw.de/mitglieder/gesetze-v ... O_2000.pdf

MfG
Holger Nolte

Wolfgang Cordier

Beitragvon Wolfgang Cordier » Mi 17.03.2004 21:41

Hallo Herr Nolte,

danke für die Antwort.

Hinsichtlich der Überdruckbelüftung ist in der VV deutlich dargelegt, das die Wohnungen bzw. der Flur vor den Wohnungen über eine Schleuse an den TR angeschlossen sein müssen.
Eine solche Schleuse kann hier erst gar nicht hergestellt werden da der Platz nicht ausreichend ist. Vom Treppenabsatz kommt man vor die Wohnungen auf eine Fläche von ca. 4 qm.
Eine Überdruckbelüftung ohne Schleuse kann ich mir nicht so recht vorstellen. Sollte die Situation eintreten das in der Brandwohnung kein Fenster geöffnet ist und die flüchtenden Personen die Türe zum TR offen lassen würde der Rauch weiterhin in den TR eindringen (ggf. sogar noch schneller). In oberen Geschossen könnte dann vieleicht auch nicht ausgeschlossen werden das der Rauch unter den Wohnungstüren in die Wohnung gedrückt würde sofern ein Staudruck entsteht. Ob sich dies durch eine RWA-Öffnung vermeiden lassen würde ?!?!
Das müsste ein Sachverständiger mal versuchen nachzuweisen.
Die Eigentümer sind aufgefordert worden ein Brandschutzkonzept vorzulegen, ggf. in Verbindung mit einem Gutachten für Rauch- und Wärmeabzug.

Ich frage mich allerdings immer noch nach Lösungsansätzen.

Gruß

ibkoeppen

Beitragvon ibkoeppen » Do 18.03.2004 11:26

Hallo Herr Cordier,

ich könnte mir schon vorstellen, daß eine Überdruckbelüftung funktioniert, wenn
- die Wohnungstüren Türschließer (Freilauftürschließer) erhalten
- das Treppenhaus mehr Rauchabzüge als im Normalfall erhält, z.B.
auf jedem zweiten oder dritten Treppenpodest "RWA"'s, d.h. automatisch über Rauchmelder(und zusätzlich manuell) ausgelöste, elektromotorisch öffnende Fensterflügel
- zusätzlich könnte man aller paar Stockwerke noch den Treppenraum selbst rauchdicht unterteilen (Rauchschutztüren mit Feststellanlage)

Das ist das, was mir heirzu erst mal einfällt, für die Situation, wie sie nun einmal ist.
Der korrekte Nachweis dafür ist natürlich eine andere Sache.

mfG
Michael Koeppen

Holger Nolte

Beitragvon Holger Nolte » Do 18.03.2004 15:38

Hallo Herr Cordier.

Zu Ihrem ersten Satz, dass laut VV die Wohnungen über eine Schleuse an den TR angeschl. sein müssen:
- sicherlich beziehen Sie sich dabei auf 37.4231 als Unterabsatz zu 34.42 "innenliegende TR"
- das wäre also anzuwenden wenn Ihr TR innenliegend ist
- gleichzeitig wird 37.4231 aufgehoben durch 37.4232, also bei Überdrucklüftungsanlage (ÜLA)

Zum zweiten Satz:
- diese Forderungen lassen sich bei einem Neubau verwirklichen, hier aber kann nur nach einer kompensierenden Maßnahme gesucht werden
- interessant wäre sicherlich ein Blick in die ursprüngliche Baugenehmigung

Zu den technischen Einzelheiten:
- eine ÜLA funktioniert bei unmittelbar am TR angeschlossenen Nutzungseinheiten nur in Zusammenwirken mit Freilauftürschließern, so dass also die Tür zu der vom Brand betroffenen Nutzungseinheit automatisch geschlossen wird.
- die ÜLA wirkt so, dass bei Branderkennung (mittels Rauchmeldern) erst mal eine kurze Spülphase einsetzt, d.h. die Abluftöffnung wird weit geöffnet und der TR mit viel Luft gespült ohne dass dabei ein Überdr. im TR entsteht,
anschließend wird die Abluftöffnung so weit geschlossen (Regelkreis), dass ein definierter Überdr. im TR entsteht und kein Rauch aus der Brandwohnung in den TR gelangt; dabei wird aber immer noch Luft gespült.Es kann also kein Rauch in die darüber liegenden Wohnungen gedrückt werden.
Das lässt sich gut erkennen im Video von PAFAMAX (www.suela.de  herunterladen  Filme)
(Achtung: 64 MB, vielleicht bekommen Sie es zugeschickt).

Eventuell können Sie als Teil des vorzulegenden BS-Konzeptes die Aufschaltung der für die ÜLA
ohnehin notwendigen Rauchmelder zur Feuerwehr vorschlagen.

Auf ein Gutachten für RWA kann sicherlich verzichtet werden wenn der Hersteller der ÜLA eine
Liste von Referenzobjekten und eine Abnahmebescheinigung vorlegt.

Für die Feuerwehr ist die Kenntnis vom Vorhandensein einer ÜLA sehr wichtig, damit nicht die
Haustür offen gelassen wird und der Druck dort rausgeht anstatt oben an der Entrauchungsöffnung.

Mit freundlichen Grüßen
Holger Nolte