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Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: So 18.04.2010 18:49
von Mike
Sehr geehrte Fachleute im Forum,
ich bin beruflich nicht direkt mit Brandschutz beschäftigt, habe aber in der letzten Zeit sehr viel mit der Gestaltung von Brandschutzordnungen und deren Aushang zu tun gehabt und dabei doch einiges gelernt.
Mein Problem ist aber eher privater Natur: Ich lebe in einem Mehrfamilienhaus zur Miete. Ein Mieter hat nun seit einiger Zeit das Treppenhaus für sich als Abstellraum entdeckt. Direkt vor seiner Tür steht ein Klapptisch und Klappstühle an der Wand, ein Podest hat er mit einer großen Truhe für Sitzauflagen und zwei Blumenkübeln mit Spalier in Beschlag genommen. Die Laufwege sind in beiden Fällen auf weniger als 60 / 50 cm zusammengeschrumpft.
Das Treppenhaus sollte sicherlich keine brennbaren Gegenstände aufweisen. Aber ein Treppenhaus dient schließlich auch als Flucht- und Rettungsweg und Einsatzweg für die Feuerwehr im Brandfalle.
Deshalb meine folgenden Fragen:
a) Welche Anforderungen stellt der Brandschutz in einem Mehrfamilienhaus hinsichtlich der Treppenhäuser und deren Nutzung
b) Welche Risiken bestehen für den Versicherungsschutz, wenn Mieter Treppenhäuser als Abstellraum nutzen?
c) Wenn die Versicherung rechtmäßig Zahlungen verweigert oder kürzt, weil Rettungs- und/oder Löscharbeiten behindert wurden, haftet dann ein Mieter für die Schäden?
Gruß
Mike
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: So 18.04.2010 21:07
von blank
Hallo Mike,
willkommen hier im Forum,
bitte gib noch folgende Infos:
-Bundesland
-Gebäudeklasse; ergibt sich aus:
Höhe des Gebäudes (Oberkante Fußboden des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthalt möglich ist, über der Geländeoberfläche)
Anzahl/Größe der Nutzungseinheiten
freistehend oder geschlossene Bauweise (Reihenhaus)
sowie
-ggf. Anzahl der Personen die die betreffenden NE nutzen und für die der betreffende Treppenraum den ersten Rettungsweg darstellt, bzw. wie wird der zweite RW sichergestellt?
Gruß, Tim
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Mo 19.04.2010 8:45
von Mike
Hallo Tim,
das freistehende Mehrfamilienhaus steht in Hessen,
hat einschl. einer Kellerwohnung 4 Wohneinheiten und ca. 338 m2 Gesamtnutzfläche.
die Höhe Oberkante Fußboden des Dachgeschosses ca. 7 Meter,
Im Dachgeschoss wohnt derzeit 1 Person, im ersten Obergeschoss
3 Personen und im Hochpaterre 2 Personen.
Außer dem Treppenhaus gibt es keinen Rettungsweg, wenn man einmal davon absieht, dass die Menschen
im Hochpaterre sich evtl. mit einem Sprung aus dem Fenster usw. retten könnten (Verletzungsrisiko meiner Meinung
nach aber schon sehr hoch) und die Kellerwohnung über einen Hinterausgang des Kellers verlassen werden kann.
Gruß
Mike
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Mo 19.04.2010 8:49
von Wolf R.
Hallo Mike,
völlig unabhängig von Vorschriften und nur rein schutzzielorientiert -Keine Toten im Brandfall- beantworte ich Deine Frage wie folgt:
In ein Treppenhaus eines Miethauses egal wo es steht und wie hoch gehört nichts, aber auch gar nichts. Egal ob brennbar oder nicht.
Alleine aus Berlin und aus den letzten 26 Jahren in denen ich Brandschutz betreibe, kann ich über zig Tote Menschen berichten, welche durch in Treppenhäusern abgestellte Gegenstände zu Tode kamen.
Jeder, der jetzt mit Vorschriften kommt, soll sich mal mit Feuerwehrleuten unterhalten, welche in einem völlig verrauchten Treppenhaus einen Leichenberg mit neun Menschen gefunden haben.
Die Krönung zu in Treppenhäusern abgestellten Gegenständen sind dann noch abgeschlossene Haustüren ohne Panikschloss.
Gruß Wolfgang Rüttinger
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Mo 19.04.2010 17:37
von Jörn Klaas
Liebe Forumsteilnehmer,
Herr Rüttinger hat völlig recht mit seiner Aussage. Was aber tun mit einem uneinsichtigen Nachbarn? Ich würde zunächst die Hausordnung zu Rate ziehen. In ihr müsste das Lagern von Gegenständen im Treppenräumen geregelt sein.
Eine gesetzliche Vorschrift, die das Lagern von (brennbaren) Materialien verbietet und unter Strafe stellt ist mir nicht bekannt. Es gibt solche Vorschriften im Arbeitsschutzrecht und vielleicht noch in irgendeiner Sonderbauverordnung, dies gilt aber alles nicht für Privatbereiche. Sollte es in Deutschland tatsächlich noch etwas geben, was nicht geregelt ist? Ich kann mir das nicht vorstellen - vermutlich weiß ich es nur nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Jörn Klaas
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Mo 19.04.2010 21:14
von Mike
Sehr geehrter Herr Klass,
Sie haben meine Problematik ganz richtig erkannt. Der Vermieter hat mich angesprochen, ob ich mich nicht auch von dem verstellten Treppenhaus belästigt bzw. behindert fühle.
Durchgekommen bin ich schon, wenn auch immer wieder an Blumenranken und Möbelteilen hängengeblieben, wenn ich etwas mehr als eine Tasche zu transportieren hatte. Neben diesen Fakten habe ich dann versicherungstechnische Bedenken geäußert, weil unzweifelhaft feststeht, dass in diesem Treppenhaus im Notfall kaum hilfezuleisten ist.
Diese Bedenken möchte ich nun überprüfen und frage die Forenteilnehmer nach bestehenden Vorschriften und vor allem nach konsequenzen für den Versicherungsschutz im Brandfall usw.
Gruß
Mike
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Di 20.04.2010 12:06
von Laschinsky
Hallo zusammen,
richtig, eigentlich ist in Deutschland alles geregelt - so auch der Blumentopf im Treppenraum! Ein kurzer Blick in die Hessische Bauordnung (
http://www.bauordnungen.de/html/hessen.html):
Grundsätzlich:
§ 13 - Brandschutz
(1) Bauliche Anlagen sowie andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Daraus folgt, daß eine Brandentstehung und Rauchausbreitung innerhalb von Fluchtwegen (i.S.d. Bauordnung: notwendige Flure und Treppen) verhindert werden und die nutzbare Breite zur Flucht und Rettung von Menschen, sowie für wirksame Löscharbeiten ausreichend sein muß. Dies war vom Sinn her unstrittig - hier steht es schwarz auf weiß!
Dann weiter:
§ 31 - Notwendige Treppenräume und Ausgänge
(1) Jede notwendige Treppe muss in einem eigenen, durchgehenden Treppenraum liegen (notwendiger Treppenraum). Der notwendige Treppenraum muss so angeordnet und ausgebildet sein, dass die Benutzung der notwendigen Treppe auch als Rettungsweg im Brandfall ausreichend lang möglich ist.Die Bauteilanforderungen aus Anlage 1 der Hessischen Bauordnung (hier:
http://www.bauordnungen.de/Hessen-Anlage.doc) schreibt für notwendige Treppenräume mindestens F30 vor. Daraus ist das Schutzziel erkennbar, der Treppenraum muß für 30 Minuten lang als Rettungsweg nutzbar bleiben. Alles was dieses Schutzziel gefährdet, ist unzulässig!
Außerdem:
§ 30 - Treppen
(4) Die nutzbare Breite der Treppenläufe und Treppenabsätze notwendiger Treppen muss für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen.
§ 32 - Notwendige Flure und Gänge
(2) Notwendige Flure müssen so breit sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen.Auch wenn die Arbeitsstättenrichtlinien (
http://www.baua.de/cae/servlet/contentblob/669208/publicationFile/48798/ASR-A2-3.pdf) hier nicht gelten, können die Festlegungen zur erforderlichen Fluchtwegbreite in Bezug auf "den zu erwartenden Verkehr" orientierend herangezogen werden:
Anzahl der Personen (Einzugsgebiet): bis 5 - Lichte Breite (in m): 0,875
Anzahl der Personen (Einzugsgebiet): bis 20 - Lichte Breite (in m): 1,00
Anzahl der Personen (Einzugsgebiet): bis 200 - Lichte Breite (in m): 1,20Zusammenfassend kann also gesagt werden, eine Nutzung des Treppenraumes ist auch in einem privaten Gebäude beschränkt: Es dürfen keine Gegenstände gelagert, abgestellt oder eingebaut werden, die aufgrund ihrer Brennbarkeit oder Rauchentwicklung die Nutzung des Treppenraumes als Fluchtweg verhindern (ohne zeitliche Anforderung), die Nutzung als Rettungsweg im Brandfall auf weniger als 30 Minuten einschränken oder aufgrund ihrer Größe, Aufstellung oder Anbringung die nutzbare Breite der notwendigen Flure oder Treppen entsprechend der Anzahl der flüchtenden Personen einengen.
Viele Grüße!
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Mo 13.09.2010 16:21
von Jessica L.
Hallo!
ich bin sehr froh dieses Forum gefunden zu haben,
seit einigen Wochen arbeite ich als Praktikantin in der Arbeitssicherheit und Unterweisung von Brandschutzmaßnahmen.
Mein frisch erworbenes Wissen möchte ich nun auch im privaten Bereich "umsetzen", aber natürlich niemandem zu nahe treten:
Ich wohne mit 3 Parteien in einem Mehrfamilienhaus
und die große Frage stellt sich bzgl. Flur und Treppennutzung.
Derzeit regelt jede Partei das für sich - d.h. vom Baumarktschuhregal bis zur Wandmontage für Jacken und Mäntel.
Auch gibt es kleinere Pflanzen an den Flurfenstern und Garderoben.
Nach meinem bisherigen Wissen dürfte das da alles nicht mehr stehen,
was auch meine "Auslagerungen" betrifft - wie sieht das aber rechtlich aus.
Der Vermieter besteht auf einen Durchgang von 1m.
Wie kann jetzt festgelegt werden, was "gefahrerhöhend" und "fluchtbehindernd" ist
und was nicht?
Muss mein Schuhregal (geschlossen aber 5cm zu tief) weichen, während die Blumentöpfe
und offenen Bekleidungsstücke im Gang hängen bleiben dürften???
Auch Frage an die Brandbekämpfer in diesem Forum - was gefährdert einen Einsatz wirklich
und wie definiert sich "Lichte Breite"?
Herzlichen Dank
Jessica
Re: Treppenhaus im Mehrfamilienhaus - Welche "Nutzung" unbedenkl
Verfasst: Do 16.09.2010 19:03
von Speedy
Ab und zu kommt es vor, dass der Rettungsdienst Patienten tragen muss. Unsere Tragen haben eine gewisse Länge und Breite. Die neueren Treppenhäuser von Mietswohnungen sind so ausgeführt, dass man mit der Trage um jeden Treppenbogen herumkommt. Das funktioniert dann aber nicht mehr, wenn dort Möbel oder Blumenkübel stehen.
Auf einen Schuh bin ich persönlich auch einmal getreten und umgeknickt. Mit Patienten auf der Trage ist das nicht witzig.
Im Brandfalle kommt es auch schon einmal vor, dass wir in den Wohnungen Leute finden, die nicht mehr gehfähig sind. Die werden dann ohne Trage schnellstmöglich heruntergetragen. Den ausgerollten Schläuchen auszuweichen und zu überklettern ist schon nicht leicht. Wenn dann auch noch Mobiliar und derartiges hinzukommt, dann ist ein Sturz im Treppenhaus vorprogrammiert.
Und wenn das Treppenhaus verqualmt ist, dann geht mal nicht davon aus, dass ihr noch etwas sehen könnt.
Versucht einmal mit verbundenen Augen den Weg von der Wohnung zur Haustür zu finden und anschließend aufzuschließen.
Meiner Meinung nach gilt hier kein Privatrecht, so wie mehr als eine Mieteinheit das Treppenhaus nutzt.
Gruß
André