viele Anfängerfragen

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derkoenig

viele Anfängerfragen

Beitragvon derkoenig » Do 12.04.2012 10:09

Guten Tag zusammen,

in Kürze werde ich als Fachkraft für Arbeitssicherheit die Betreuung mehrerer kleiner Wohnheime übernehmen. (zunächst im Behindertenbereich, später auch Altenwohneinrichtungen, Häuser der Baujahre 1970 bis 2005,einige kleine Aussenwohngruppen in normalen Wohnhäusern, Bundesland NRW, sehr unterschiedlich ausgestattet, teilweise mit BMA, auch Feuerwehrlaufkarten usw.)
Erste Aufgabe wird das Erstellen der Gefährdungsbeurteilungen sein, es gab wohl "Druck".
Bei einer ersten Vorbesichtigung sind mir nun doch einige Fragen grundsätzlicher Art gekommen, und ich bitte euch daher um Unterstützung.
Die allgemeinen Sicherheitsthemen sind nicht das Problem, aber der Brandschutz. Ich formuliere daher mal einige Fragen:

Teilweise konnte ich bereits die Dokumentation einsehen. Alles in allem eine eher bunte Sammlung von Angeboten, Rechnungen, Begehungsprotokollen, uralten Baugenehmigungen, Änderungsunterlagen von Architekten und Handwerkern, usw. Die letzten dokumentierten Begehungsprotokolle der Behörde (Kreis) liegen in einem Fall über 10 Jahre zurück. Frage: Welche Dokumente muss es geben?
Wer ist eigentlich seitens der Behörden zuständig / verantwortlich für die Überwachung derartiger Einrichtungen? Ist dies der Kreis, die Stadt, die Feuerwehr? Müssen regelmäßige Begehungen seitens der Behörden durchgeführt werden, wenn ja wie oft? Kann ich mich auf die Behörde verlassen oder ist darüber hinaus Eigenaktivität erforderlich? Räumungsübungen mit der freiw. Feuerwehr gibt es überwiegend, jedoch nicht in allen Häusern, aber ist diese nicht mehr als beratend anzusehen? Kennen die sich im baulichen Brandschutz wirklich aus? Gibt es eigentlich Bestandschutz?
In diesem Forum bin ich über den Begriff Brandschutzbeauftragter gestolpert. Muss es diesen geben, ab welcher Einrichtungsgröße, wo steht dies?
Hintergrund meiner Fragen ist insbesondere die Notwendigkeit des zweiten Rettungsweges. Dieser ist in den kleineren Häusern teilweise gar nicht vorhanden, teilweise wird dieser über ein Flurfenster und anleitern sichergestellt. Dies halte ich aber bei Behinderten für unrealistisch, dauert viel zu lange. Welche Kriterien gibt es eigentlich, einen echten zweiten Rettungsweg im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung einzufordern? Die ASR 2.3 schreibt wörtlich “Das Erfordernis eines zweiten Rettungsweges ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung“. Da stehe ich nun….und möchte es mir mit meinem Auftraggeber auch nicht gleich verderben….oder halte ich mich aus dem Thema Brandschutz ganz raus? Wie seht ihr meine Rolle?
Vielleicht könnt ihr mir auch Fachliteratur oder ein Seminar empfehlen.

Zum Schluss noch eine ganz einfache Frage: in einigen Begehungsprotokollen findet sich immer der Hinweis auf offenhalten von Türen durch Keile. Auch bei meiner Erstbegehung konnte ich reichlich mit Keilen gesicherte Türen entdecken. Ist das normal oder sind hier deutlichere Mahnungen erforderlich?

Danke für eure Hilfe
derkoenig

clammer
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Re: viele Anfängerfragen

Beitragvon clammer » Di 17.04.2012 11:36

Sie haben sehr viele allgemeine Fragen gestellt, die man aus der Ferne leider nicht einfach so pauschal beantworten kann.

Ob ein Gebäude einer regelmäßigen bauaufsichtlichen Prüfung unterliegt, hängt von seiner Genehmigungslage bei der Errichtung ab. Ebenso so, ob es unter die Prüfverordnung fällt - vor allem, wenn es dort nicht explizit erwähnt wurde.
Ob durch die Brandschutzdienststelle (dies ist oftmals nicht die Feuerwehr) eine regelmäßige Brandschau durchgeführt werden muss, steht im Feuerschutz-und Hilfeleistungsgesetz NRW.
Wiederkehrende bauaufsichtliche Prüfungen und die Brandschauen erfolgen von Amts wegen; als Betreiber können Sie diese in der Regel nicht einfordern.
Anders die Prüfungen gemäß der Prüfverordnung: diese muss der Betreiber veranlassen und dokumentieren.

Die Behörden betrachten, wenn überhaupt, "nur" den Aspekt der öffentlichen Sicherheit; Ihre Interessen, also die des Betreibers, sind davon völlig unberührt. Also können Sie sich auch auf nichts verlassen.

Den betieblichen Brandschutz, dazu gehören auch Räumung und Evakuierung, muss der Betrieber verantwortlich planen. Es macht jedoch schon Sinn, gewisse Aspekte der Organsiation, wie die Räumungsplanung oder die Kommunikation im Gefahrenfall, mit der zuständigen Feuerwehr abzustimmen.

Brandschutzbeauftragte werden entweder im Baugenehmigungsverfahren oder von den Versicherern gefordert. Darüber hinaus steht es dem Betreiber frei, selbst Brandschutzbeauftragte zu benennen, die er allerdings auch schulen/ausbilden muss.

Wenn Sie zu der Erkenntnis kommen, dass der zweite Rettungsweg nicht funktioniert, muss der Betreiber zunächst hier mal Abhilfe schaffen; durch bauliche, technische und/oder organisatorische Maßnahmen.

"Bestandschutz" bedeutet, dass an eine einmal rechtmäßig errichtete bauliche Anlage, soweit sie noch genehmigungskonform erhalten und betrieben wird, kein Anpassungsverlangen an das aktuelle Baurecht gestellt werden können. Ausgenommen hiervon wäre der Tatbestand der "konkreten Gefahr", den die Bauaufsichtsbehörde per Verwaltungsakt feststellen muss. Der vielzitierte "Bestandschutz" bezieht sich jedoch nur auf das Baurecht; die Betreiberpflichten sind davon unberührt.

Aus- und Weiterbíldungen zum Thema bieten u.a. der VdS und der TÜV an.

Das offenhalten von Brandschutztüren (= Feuerschutzabschlüsse und Rauchschutztüren) mit nicht zugelassenen Hilfsmitteln stellt eine Straftat dar und ist daher nicht als "normal" anzusehen. Hier wäre ein Vorschlag, im Rahmen ser Gefährdungsbeurteilung die Ausstattung der betroffenen Türen mit Feststellanlagen vorzusehen.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung: Aus Ihren Schilderungen erscheint aus der Ferne einiges etwas unklar oder "merkwürdig". Wenn es in Ihrer Einrichtung keinen Brandschutzbeauftragten gibt (dieser auch auch extern bestellt sein), empfehle ich Ihnen, sich mit Ihrem Unfallversicherungsträger oder Feuerversicherer (Abteilung Schadenverhütung) in Verbindung zu setzen und sich dort beraten zu lassen.

Gruß
C. Lammer

svjm

Re: viele Anfängerfragen

Beitragvon svjm » Di 17.04.2012 19:52

Guten Tag,

ich muss dem FK Lammer zustimmen, Ihr Fragenkomplex spricht eine "eindeutige" Sprache, die nicht " mal eben" durch einen Lehrgang und schon garnicht via eines Forums beantwortet werden kann.

Insbesondere die Vielfalt (der Nutzung) der von Ihnen zukünftig zu "betreuenden" Immobilien bedarf nach meiner Einschätzung einer externen Unterstützung, zumindest für die Zeit Ihrer "Einarbeitung". Das mag von Ihrem AG möglicherweise anders gesehen werden, aber meine Erfahrung (und es geht um Zusammenhänge!) bestätigt dies zunehmend. Leider wird das Thema von (einigen) sozialen Einrichtungen oder Trägern solcher nicht immer mit zwingend notwendiger Konsequenz und Kompetenz betrachtet.

Dennoch ein gutes Gelingen
svjm

Linse

Re: viele Anfängerfragen

Beitragvon Linse » Sa 21.04.2012 14:50

In der Tat klingt das auch für mich nach einem Fall von lange Zeit vernachlässigten Pflichten. Und irgendwer ist da jetzt mal aufmerksam geworden und will das jetzt verbessern.
Soweit so gut, da sind Sie jetzt derjenige, der das konkret in die Wege leiten soll. Machen Sie sich auf Arbeit gefasst! ;-)


Was ich spontan als "Minimalausstattung" für jedes der Gebäude sehen würde, ist eine Mappe in der folgende Sachen enthalten sind:
- Baupläne (ggf. aktualisiert, falls es Änderungen gab)
- Betriebserlaubnis
- Sicherheits-Konzept inklusive Brandschutzkonzept (wenn noch nicht bestehend, würde ich diese sehr zügig in die Wege leiten)
- Versicherungsunterlagen (ggf. sind weitere Anforderungen gestellt!)
- Unterlagen über vergangene Begehungen und Prüfungen eventuell prüfpflichtiger Sicherheitseinrichtungen

Es kann natürlich sein, dass ein Teil dieser Unterlagen bei der Unternehmensleitung im Tresor liegt, aber dann tuts zum Arbeiten auch eine Kopie mit Angabe, wo das Original liegt.


Die Sache mit den Rettungswegen ist immer wieder ein Streitpunkt. Aber da würde ich als erstes mit der jeweiligen Feuerwehr sprechen, was die meinen. Wenn die sagen, das wäre per Leiterrettung alles kein Problem, dann lassen Sie sich das bestätigen und sind erst mal aus dem Schneider. Wenn da allerdings große Bedenken aufkommen, dann reden Sie am besten erstmal mit dem Betreiber und rufen notfalls jemanden aus der Führungsriege der entsprechenden Feuerwehr als Fachmenschen.
Im gleichen Zug können Sie vielleicht auch gleich noch eine baldige Kleinübung mit der entsprechenden Feuerwehr vereinbaren. Die haben es immer lieber, wenn sie die Örtlichkeit auch mal beüben können und nicht nur alle 2 Jahre einer davon begehen darf.


Bezüglich der Strafbarkeit von Keilen kenn ich mich grade nicht wirklich aus. Aber das ist auch egal, die dürfen da nicht hin und Schluss!
Sie als FASi werden ja öfters zugegen sein bei den Einrichtungen. Zum Beginn oder zum Abschluss der Anwesenheit vor Ort jeweils ein kleiner Rundgang auf offensichtliche Probleme kann Wunder wirken.
Das erste Mal wird jeweils die Bereichs-/Stationsleitung mitgenommen, die Keile werden entfernt und von Ihnen einbehalten. Falls keine Keile eingesetzt sind, ists ja in Ordnung.
Das nächste Mal werden die Keile einbehalten und es gibt ein kurzes Schreiben an die Leitung des Hauses, dass derartige Keile nicht in Ordnung sind. Spätestens da sollte dann auch ein Hinweis auf das jeweilige Gesetz/die jeweilige Verordnung beiliegen...


Im Hinblick auf den generellen Brandschutz stimme ich meinen Vorkommentatoren zu: An Ihrer Stelle würde ich
a) versuchen, einen guten, kollegialen Kontakt zur lokalen Feuerwehr aufzubauen sowie
b) zumindest am Anfang einen entsprechenden Fachmenschen (Fachplaner für Brandschutz, Brandschutzingenieur, etc.) als Berater heranziehen.

Und wichtigste Sache generell: Sollten Sie einmal verschiedener Meinung sein als die Betriebsleitung, lassen Sie sich von der Leitung unterschreiben, dass Sie Bedenken angemeldet haben und die Entscheidung entgegen Ihrem Rat ergangen ist!