Entsprechen DIN-Normen automatisch den anerkannten Regeln de

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BBS

Entsprechen DIN-Normen automatisch den anerkannten Regeln de

Beitragvon BBS » Di 15.07.2003 1:00

Der entscheidende Unterschied zwischen den DIN-Normen und den anerkannten Regeln der Technik führt immer wieder zu mißverständnissen, teils mit großen finanziellen Folgen. Dieser Infobrief soll die Thematik erörtern und letztendlich Klarheit bringen. Die nachstehenden Ausführungen stützen sich auf die aktuelle Rechtsprechung, welche auszugsweise wiedergegeben wird. Der BGH hat in seinem Urteil v. 14.05.1998 - VII ZR 184/97 folgenden Leitsatz geprägt:

"DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben."

Dieser Leitsatz ist in der Vergangenheit schon sehr häufig kontrovers diskutiert worden. In all diesen Diskussionen hat sich gezeigt, daß
mindestens eine Partei schon an der Definition der Begriffe scheiterte, zumal in diesem Zusammenhang noch die Begriffe "Stand der Technik" und "Stand der Wissenschaft und Technik" mit eingebracht werden.

Um den o.g. Leitsatz des BGH zu verstehen ist zunächst eine Definition dieser 4 Begriffe notwendig.

Begriff 1: Stand der Wissenschaft und Technik Hiermit sind technische Spitzenleistungen gemeint, die wissenschaftlich gesichert sind. Bei der Ausführung ist evtl. der Bauherr
"Versuchskaninchen" für noch nicht hinreichend Erprobtes.

Begriff 2: Stand der Technik

Damit ist der derzeit aktuelle Stand der Technik gemeint, welcher sich in der Baupraxis als zuverlässig erwiesen hat.

Begriff 3: Anerkannte Regeln der Technik

Dies bedeutet, daß sich ein neues Verfahren etabliert hat und von vielen ausführenden Firmen in der Praxis angewendet wird und von diesen anerkannt worden ist. Dies muß noch nicht in einer DIN-Norm erfaßt sein und geht somit über den Inhalt der DIN-Norm hinaus.

Begriff 4: DIN-Normen

Gemäß der obigen Ausführung ist deutlich zu erkennen, daß DIN-Normen nicht allein aufgrund ihres Bestandes zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören müssen. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben, d.h. wenn sie von den Baufachleuten überwiegend nicht angewendet bzw. nicht hinreichend akzeptiert werden.
Wenn man sich diese Definitionen bewußt macht, dann ist der obige Leitsatz des BGH eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Die nächste Frage, die sich in diesem Zusammenhang ergibt lautet:

"Ist eine Leistung automatisch mangelfrei, wenn diese nach den DIN-Normen erbracht worden ist?" Diese Frage kann hier von jedem Leser dieses Infobriefes jetzt selbst richtig beantwortet werden, wenn man sich wieder an den o.g. Begriffsdefinitionen orientiert.
Um dies jetzt noch zu komplementieren, hat der BGH in seinem o.g. Urteil den Zeitpunkt für die Gültigkeit der anerkannten Regeln der Technik hinsichtlich der mangelfreien Leistungserbringung wie nachstehend definiert:

"Die Mangelfreiheit einer Leistung kann nicht ohne weiteres einer DIN-Norm entnommen werden. Maßgebend ist nicht welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Ausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht." Damit wird auch der weit verbreitete Irrglaube, daß es maßgebend sei, was zum Zeitpunkt der Ausschreibung den anerkannten Regeln der Technik entsprach eine deutliche Antwort gegeben. Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß über diesen stets das vertraglich Vereinbarte steht. Daher ist es unabläßlich bei der Vertragsvereinbarung genau darauf zu achten, was letztendlich vereinbart wird. Sie können somit mehr oder weniger gegenüber den anerkannten Regeln der Technik vereinbaren, solange sie die AGB´s (allgemeine Geschäftsbedingungen) einhalten.
Sie sehen, daß sich dies noch auf weitere Bereiche mit auswirkt und es sich hierbei um ein sehr komplexes Thema handelt. Damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt, wird an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet und - falls gewünscht - in einem weiteren Infobrief näher eingegangen. Unabhängig davon stehen wir ihnen mit unserem Team von Sachverständigen, Ingenieuren und Rechtsanwälten jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
ee.Consult
Niederlassung Nordbayern
Thomas Haucke
email: th.haucke@t-online.de

Gesendet von Thomas Haucke 27.11.2000 11:21:18

Vonhof

Beitragvon Vonhof » Di 15.07.2003 1:00

Vollkommen richtig. Kleine Anmerkung:

"Die Mangelfreiheit einer Leistung kann nicht ohne weiteres einer DIN-Norm entnommen werden. Maßgebend ist nicht welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Ausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht."

Dieses ist einer der wichtigsten Sätze in Ihrer Ausführung. Ofmals vergeht zwischen dem Zeitpunkt der Ausschreibung, dem Bau- oder Ausführungsbeginn, der Fertigstellung und der Abnahme eines Bauwerkes (aus welchen Gründen auch immer) eine erhebliche Zeitspanne. Ich kann einem Bauherren aus meiner Erfahrung heraus nur empfehlen, so schnell wie möglich eine Bauabnahme zu erwirken.

Denn diese Regelung gilt nicht nur für die Regeln der Technik, sondern für alle Bauprodukte, die einer Zulassung unterliegen (somit auch alle im baulichen Brandschutz verwendete Bauprodukte). Und die Zulassungen haben i. d. R. eine Gültigkeit von 5 Jahren und müssen dann verlängert werden. .

Hat ein Unternehmer ein neues Produkt entwickelt und kein Interesse daran, die Zulassung für sein altes Bauprodukt zu verlängern, so wurde in dem Gebäude evtl. ein Bauteil, Baustoff, Sonderbauteil etc. verwendet, das nicht den bauaufsichtlichen Bestimmungen entspricht, da der Zulassungsbescheid zum Zeitpunkt der Abnahme erloschen ist.

Da nunmehr (zum Zeitpunkt der Abnahme) Bauprodukte ohne Zulassung vorhanden sind, müssen diese ersetzt werden. Dieses ist i.d.R. mit erheblichen Mehraufwendungen verbunden.

MfG
Alexander Vonhof

Gesendet von Alexander Vonhof 27.11.2000 14:47:01

Falk_HL
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Beitragvon Falk_HL » Di 15.07.2003 1:00

Vielen Dank erst einmal für diese wirklich interessanten Ausführungen, allerdings wirft sich mir die Frage auf, wie ich feststellen kann, was der momentane gültige Stand der Regeln der Technik ist oder darstellt??? Aus Ihren Ausführungen entnehme ich, dass ich sämtliche mir bekannten Normen und Regelungen (Richtlinien) heran ziehen muss und dann in der Hoffnung lebe den Stand... gefunden zu haben. Oder stehe ich noch auf der "Leitung"...? Daher meine Bitte, doch noch einmal das Ganze zu vertiefen!
Zuletzt geändert von Falk_HL am Do 17.07.2003 11:11, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße FH

BBS

Beitragvon BBS » Di 15.07.2003 1:00

Man muß feststellen, daß es uns in Deutschland wieder einmal gelungen ist, etwas derart zu "überregeln", dass genau die von Ihnen gestellte Frage nicht mehr anhand von Regeln, Richtlinien usw. zweifelsfrei beantwortet werden kann. Leider hat sich auch der BGH dieser Frage nicht angenommen. Dies ist zu bedauern, zumal gerade sein Urteil diese Fragestellung aufwirft.

Nach der derzeitigen Rechtsprechung gilt, dass bei Einhaltung der DIN-Normen die gesetzliche Vermutung für eine Mangelfreiheit im Sinne der anerkannten Regeln der Technik spricht. Bei der Einhaltung der DIN-Normen soll eine Beweislastumkehr eintreten, d.h. die Gegenseite muß beweisen, dass die eingehaltene DIN-Norm nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Dies ändert nichts an der derzeitigen Situation. In der Vergangenheit ist diese Thematik vor allem im Bereich der Dickbeschichtung (Kelleraußenwandabdichtung) sehr kontrovers diskutiert und bei Gericht abgeurteilt worden. Die Antwort ist sicherlich unbefriedigend, jedoch - wie eingangs erläutert
- unserem Regel- und Vorschrifteneifer zuzuschreiben.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Haucke
ee.Consult
Niederlassung Nordbayern

Gesendet von Thomas Haucke 10.12.2000 12:15:15

Falk_HL
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Beitragvon Falk_HL » Di 15.07.2003 1:00

nein, ganz im Gegenteil...., bin mit dieser Antwort durchaus zufrieden. Klärt sie doch im wesendlichen über den Kern der Problematik auf. Manchmal haben eben auch vermeindlich unbefriedigende Antworten einen Aufklärungscharakter. Natürlich stimme ich Ihnen in diesem Punkt zu, dass mit der Überregelung Situationen eintreten können, die den gut gemeinten Regelungen, Richtlinien oder anderen diversen Vorschriften entgegenwirken, weil sie für den Einzelnen (BSB) nicht in vollem Umfang nachvollziehbar sind oder im "Wust" einfach untergehen. Trotzdem mein Dank für Ihre Bemühungen....

Gesendet von Falk Hauptlorenz 11.12.2000 10:01:03
Zuletzt geändert von Falk_HL am Do 17.07.2003 11:13, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße FH

BBS

Beitragvon BBS » Di 15.07.2003 1:00

Vielen Dank für Ihre Anregung.

Leider komme ich diese Woche nicht mehr dazu, daher wenigsten kurz diese Nachricht. Versuche am Wochenende den Beitrag ins Forum zu stellen. Vielen Dank für Ihr Verständnis im voraus. Mit freundlichen Grüßen

Th. Haucke
ee.Consult
Niederlassung Nordbayern

Gesendet von Thomas Haucke 29.11.2000 13:15:04